Geschrieben von Grégoire Depeursinge, Managing Partner AIMS International Switzerland

 

Es geht um den Mensch, nicht um Systeme und Regeln

Gute Kandidatenbetreuung ist ein Schlüsselaspekt erfolgreichen Employer-Brandings

Unzählige Artikel über Kandidatenbetreuung unterstreichen, man solle gut organisiert sein, allen Kandidaten antworten und mit einem Bewerberverwaltungssystem arbeiten, um die Übersicht zu behalten. Darüber hinaus sind Faktoren wie Diversität oder Nicht-Diskriminierung von immer wachsender Bedeutung.

Zweifellos wichtige Aspekte; jedoch fällt mir auf, dass wesentliche Fragen oft nicht angesprochen werden. In einem Berwerbungsprozess kann es immer passieren, dass jemand vergessen geht; doch den grössten Schaden verursacht man nicht, indem man vergisst, eine negative Antwort zu senden. Das Hauptproblem liegt im Umgang mit denjenigen Bewerbern, welche die erste Hürde genommen haben und zu einem Gespräch eingeladen werden. Als Headhunter (und auch im Wissen, wieviel Geld investiert wird, um das richtige Profil für eine Stelle zu finden) erstaunt es mich oft, wie Hiring-Manager handeln, wenn der direkte Kontakt mit dem Kandidaten hergestellt wird.

Nehmen wir einige Beispielen:

1. Sich nur eine halbe Stunde Zeit für einen Kandidaten nehmen, der eine mehrstündige Anreise hatte und ihm weder Kaffee anbieten, noch die Räumlichkeiten zeigen.

2. Einen Bewerber für eine Führungsposition mit einem Jahresgehalt von mehreren hundert tausend einladen und ihm ein zweitklass-Zugbillet zusenden.

3. Nach dem Interview ein positives Feedback geben und dann, vielleicht wegen eines Einstellungsstopps oder einer Proifiländerung, Bewerber und Rekrutierungsbüro einfach «hängen» lassen.

4. Wochen- oder sogar monatelang nicht auf ein Profil reagieren, dann trotzdem zum Bewerber zurückkommen und vom ihm erwarten, dass er sofort begeistert und verfügbar ist.

5. Nur einen einzigen möglichen Termin für ein Interview anbieten und einfach davon ausgehen, dass Kandidaten dann verfügbar sind (obwohl ja nicht selten grosse Anstrengungen nötig waren, um ihn zu identifizieren und ihm den Job zu «verkaufen»). In anderen Worten sich zu benehmen, als ob man zwischen zahlreichen Bewerbern wählen könnte, obwohl oft nur eine Handvoll qualifizierte Kandidaten auf dem Markt verfügbar sind.

Man sollte nicht vergessen, dass Bewerber in der Regel im Laufe der Gespräche mit verschiedenen Stellen im Unternehmen vieles über die Firma, ihre Strategie und generelle Lage erfahren. Sie werden sich also an das Erlebte ganz genau erinnern und es weitererzählen, umso mehr, wenn sie es als negativ bewerten (Studien zeigen, dass es ca. 12 positive Erlebnisse braucht, um einem negativen entgegenzuwirken).

Viele Leute werden also über allfälliges «schlechtes» Verhalten seitens der Firma informiert werden und dies kann sich sogar auf das Image der Unternehmung bei den Kunden oder allgemein im Markt negativ auswirken. Darüber hinaus kann es durchaus vorkommen, dass derjenige Kandidat, den man eigentlich einstellen möchte, die Stelle nicht annimmt, weil er das Gefühl hat, dass er nicht mit genügend Respekt behandelt wurde.

Was sollte man also als HR-Business Partner tun? Auf der einen Seite ist es wichtig, die Linie auf die Problematik aufmerksam zu machen (Sollte es beispielweise vorkommen, dass der Hiring-Manager nur ganz wenig Zeit für ein Interview hat, so sollte man dies dem Kandidaten so früh wie möglich mitteilen und vielleicht einen anderen Mitarbeiter beauftragen, ihm den Betrieb zu zeigen).

Vergessen Sie nicht, dass man die besten Bewerber oft überzeugen muss und nicht von ihnen erwarten kann, dass sie sich bereits vor dem ersten Kontakt mit dem Unternehmen identifizieren.

Zu guter Letzt wäre es auch sinnvoll, den Kandidaten zwar «reinen Wein» einzuschenken und sie über die Situation zu informieren, die sie vorfinden werden, jedoch gleichzeitig aber die positiven Aspekte und Chancen hervorzuheben. Das Allerwichtigste bleibt aber immer der Umgang mit Menschen und ihren Gefühlen, Werten und Grundsätzen.

AIMS Schweiz

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